Berlin, 20.03.2023 – Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Forderungen zur Regulierung des Grauen Kapitalmarkts aufgestellt, nachdem Anleger in der Vergangenheit viel Geld mit den kaum regulierten Anlagen dieses Markts verloren haben. Im Fall des Windenergieunternehmens Prokon haben die rund 75.000 betroffenen Anleger etwa 40 Prozent des eingesetzten Kapitals (von insgesamt etwa 1,4 Milliarden Euro) verloren. Die Verluste durch die Insolvenz des Containeranbieters P&R im Jahr 2018 dürften sich sogar auf insgesamt 2,5 Milliarden Euro belaufen. Das Gutachten wurde im Auftrag durch Stefan Loipfinger, Anlegerschützer und AWE-Mitglied, erstellt.
Das Gutachten[1] kommt zu dem Schluss, dass Anlagen des Grauen Kapitalmarkts, wie Nachrangdarlehen und Direktinvestments, kaum reguliert sind und entsprechend nur oberflächlich beaufsichtigt werden. Insbesondere besteht für die Emittenten keine Erlaubnispflicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Es gelten lediglich die Regeln des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG), die eine rein formale Prüfung der Verkaufsprospekte durch die BaFin vorschreiben. Ob zum Beispiel eine Anlage unrealistisch kalkuliert ist und nicht zu Gewinnen führen kann, ist nicht Teil der Prüfung.
Darüber hinaus werden Anlagen des Grauen Kapitalmarkts nicht an liquiden und regulierten Handelsplätzen gehandelt, wie zum Beispiel viele Aktien und Anleihen. Damit sind sie für Anleger trotz der üblicherweise sehr langen Laufzeiten faktisch unverkäuflich. Gleichzeitig existieren für die Anlagen keine Marktpreise. Damit ist gerade der wichtige Rückschluss von der in Aussicht gestellten Rendite auf die tatsächlichen Anlagerisiken nicht möglich. Ferner versprechen sie häufig Sicherheit, indem Sachwerte wie Wind- oder Solarparks, Immobilien, Schiffe oder Frachtcontainer in den Mittelpunkt gestellt werden. Dabei werden die Chancen und (erheblichen) Risiken der Anlagen regelmäßig nicht ausgewogen dargestellt.
Bislang hat der Gesetzgeber auf Anlageskandale am Grauen Kapitalmarkt jeweils durch am Einzelfall orientierte Gesetzesverschärfungen reagiert. Das vzbv-Gutachten verdeutlicht nun, dass die Gefahren des Grauen Kapitalmarkts nicht etwa rein wirtschaftlicher Natur sind, sondern aus der Verbindung zweifelhafter Geschäftsmodelle mit undurchsichtigen Finanzkonstrukten und fehlender Kontrolle entstehen. Damit dürften Anlageskandale wie die Fälle Prokon oder P&R auch in Zukunft eher Regel als Ausnahme sein.
Der Markt für Vermögensanlagen wird von Finanzkonstrukten dominiert, bei denen sich eigens für die Emission gegründete Zweckgesellschaften über nachrangiges Fremdkapital der Anleger finanzieren. Das Kapital wird dann meist an die eigentlich wirtschaftlich handelnde Projektgesellschaft weitergeleitet, die damit teilweise Sachwerte erwirbt. Anleger finanzieren also vornehmlich nur eine leere Unternehmung, auf die keine echten Zugriffsmöglichkeiten besteht.
Weitere Skandale mit riesigen Vermögensverlusten sind vorprogrammiert, insbesondere auch durch die heute üblichen Nachrangkonstrukte.
Der vzbv fordert deshalb u.a.
- Einstellung des aktiven Vertriebs von Anlagen des Grauen Kapitalmarktes
- Durchsetzung eines eindeutigen Haftungsprinzips
- Verjährungsfristen auf 20 Jahre verlängern
Eine Regulierung des Grauen Kapitalmarkts ist daher lauf Gutachten überfällig. Der AWE unterstützt dieses Anliegen seinerseits mit seinem Positionspapier zum gesellschaftlichen Regelungsbedarf im grauen Kapitalmarkt.
Die aktuell einzige Möglichkeit für Anleger, voll Kontrolle über Ihre Vermögensanlagen zu erhalten, ist der Zusammenschluss mit anderen Anlegern. Durch ein aktives Handeln, der Schaffung von Mehrheiten und Netzwerken mit anderen Anlegern, können Änderungen angestoßen werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Hilfe zur Selbsthilfe. Als Interessengemeinschaft verfügen wir über ein Netzwerk von betroffenen Anlegern und sind in der Lage, Kontakte zu anderen Anlegern unter unserer Mitgliederschaft herzustellen. Also scheuen Sie sich nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Nur gemeinsam sind wir stark.
Der Anlegerschutzverein WindEnergie AWE e.V. ist die Interessensvertretung von Anleger*innen im Windenergiebereich und Investments in erneuerbare Energien. Sie haben Fragen oder Interesse an unserer Arbeit oder einer Mitgliedschaft? Informieren Sie sich unter anleger-wind-energie.de/Mitgliedschaft über unsere Vereinsvision von hundert Prozent fairen, transparenten und demokratischen Verhältnissen bei Anlagen in erneuerbare Energien.
[1] https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/regulierung-des-grauen-kapitalmarkts-ist-ueberfaellig