Bürgerbeteiligung an Erneuerbaren Energien Projekten

Bürgerbeteiligung an Erneuerbaren Energien Projekten – Vom Gesellschafts- zum Schuldrecht

Die Einbindung von Privatpersonen in die Finanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien gewinnt stetig an Bedeutung. Schon seit geraumer Zeit stehen alternative Anlagemöglichkeiten zur Verfügung, die es dem Einzelnen ermöglichen, Teil der Energiewende zu werden. Viele Initiatoren bieten unter dem Sammelbegriff „Bürgerbeteiligung“ eine Vielzahl unterschiedlicher Beteiligungsformen an. Die Unterscheidung zwischen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen und schuldrechtlichen Verträgen ist dabei von entscheidender Bedeutung, um die spezifischen Charakteristika, Chancen und vor allem auch Risiken dieser Anlageformen zu verstehen. In diesem Beitrag stelle ich beispielhaft die Kommanditbeteiligung dem Nachrangdarlehen gegenüber.

Historie der Energiewende in Bürgerhand

Die Idee der bürgergetragenen und -finanzierten Energiewende wurde durch das Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) um die Jahrtausendwende befeuert. Seitdem leisten private Kleinanlegerinnen und Kleinanleger in Publikumsgesellschaften die entscheidende Anschubfinanzierung für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ideelle Ziel einer grünen Zukunft schützt jedoch von Anfang an nicht vor Übervorteilung. Durch gezielte Manipulationen seitens großer Emissionshäuser wird die erwartete Rendite teils drastisch reduziert oder das eingesetzte Kapital gar vollständig vernichtet. Zu den Manipulationen zählen zum Beispiel geschönte Prospekte, aber auch unnötige gesellschaftliche Verschachtelungen, die auf jeder Ebene Gebühren verursachen, von denen nur die Initiatoren profitieren.

Nach der Insolvenz des prominenten Windkraftanbieters und Platzhirsches Prokon, der mehr als 75.000 geschädigte Anlegerinnen und Anleger zurückließ, wurde im Jahr 2015 das Kleinanlegerschutzgesetz mit dem Ziel reformiert, nachteiligen Finanzkonstruktionen Einhalt zu gebieten und den Verbraucherschutz zu stärken. Die Insolvenzen großer Anbieter von nachhaltigen Vermögensanlagen wie UDI oder die ausbleibenden Ausschüttungen bei Leonidas verdeutlichen, dass das Gesetz den Dynamiken der Finanzmärkte und somit dem Schutz von Anlegerinnen und Anlegern bis heute nicht gerecht wird.

Schlechtes ist im Laufe der Zeit noch schlechter geworfen. Die damals gängige Projektfinanzierung durch Kommanditkapital ist heute überwiegend der Finanzierung durch Nachrangprodukte gewichen. Initiatoren, Projektierer und Betreiber beschränken mit dieser Anlageform einerseits effektiv die Kontrollmöglichkeiten ihrer Anleger und übertragen ihnen andererseits das finanzielle Verlustrisiko.

Bürgerbeteiligung als Kommanditbeteiligung

Zu Beginn seiner Unternehmenstätigkeit warb Prokon zur Finanzierung seiner Windpark-Projekte zunächst Kommanditkapital ein. Bereits nach wenigen Jahren wurde die Finanzierung auf Genussrechte umgestellt, zum Nachteil neuer Anlegerinnen und Anleger.

Die Kommanditbeteiligung, bei der die Anleger den Initiatoren und ihren Mitgesellschaftern gesellschaftsrechtlich verbunden sind, hat eine Reihe von theoretischen Vorteilen, da es sich dabei wie beim Besitz von Unternehmensaktien um eine echte Unternehmensbeteiligung handelt.

Die Struktur der Kommanditbeteiligung erlaubt Anlegerinnen und Anlegern, sowohl präventiv als auch reaktiv zu handeln. Im Vorfeld einer Krise können sie durch Individualrechte wie Akteneinsicht, Kündigung oder Verkauf ihr Investment überwachen und auf Unregelmäßigkeiten reagieren. In Notlagen ermöglichen juristische Mittel, Verluste zu begrenzen oder Schadenersatz einzufordern. Kollektive Aktionen der Mehrheit der Beteiligten stärken die Überwachung und Einflussnahme auf die Unternehmensführung und bieten im Krisenfall die Möglichkeit, Interessen durch Klagen zu verteidigen und im Insolvenzverfahren präsent zu sein. Daneben lassen sich Kontrollmechanismen im Unternehmen etablieren, umfassende Informationen einfordern, Gesellschafterbeschlüsse beeinflussen und ein Beirat einsetzen. Die Kommanditbeteiligung bietet damit Chancen aus Gewinnbeteiligung und mindert gleichzeitig durch aktive Kontrolle die Risiken. Dennoch bleibt das inhärente Risiko eines Totalverlusts bestehen.

Die theoretischen Kontrollmöglichkeiten halten einer Prüfung durch die Wirklichkeit nicht stand. Präventive Maßnahmen scheitern zum Beispiel oft bereits an der Weigerung einer Geschäftsführung zur Herausgabe einer Gesellschafterliste, obwohl deren Herausgabeanspruch an den Kommanditisten einer Publikumsgesellschaft höchstrichterlich festgestellt ist. Auch das Recht auf Akteneinsicht verkommt bei umfangreichen gesellschaftlichen Verflechtungen zum zahnlosen Tiger, wenn die Informations- und Kontrollrechte bereits auf der Fondsebene enden, die Geschäfte aber in Untergesellschaften getätigt werden. Daran beißt sich auch ein Berat die Zähne aus, selbst wenn er gesellschaftsvertraglich vorgesehen oder sogar gegen den Willen der Geschäftsführung installiert wurden.

Kommanditisten finden sich daher meist in einer reaktiven Situation wieder, nachdem die Geschäftsführung sich im Hintergrund schon längst in Position gebracht hat. Durch die Schaffung von Mehrheiten kann der Geschäftsführung allerdings noch Einhalt geboten und das Ruder herumgerissen werden. Insofern ist es eine Überlegung wert, bereits in guten Zeiten den Kontakt zu den Mitgesellschaftern aufzunehmen und sich für den Fall der Fälle zu organisieren.

Bürgerbeteiligung als Nachrangdarlehen

Nachrangdarlehen haben sich in den letzten Jahren als häufig genutztes Finanzierungsinstrument etabliert. Insbesondere im Zuge des sogenannten Repowering, der Ertüchtigung von Windparks durch neue Windenergieanlagen, ist dieser Trend zu erkennen. Nach Ablauf der 20-jährigen, garantierten EEG-Einspeisevergütung versuchen Geschäftsführungen, neuen Kapitalbedarf unter dem Deckmantel der „Bürgerbeteiligung“ mit schuldrechtlichen Verträgen einzuwerben und so altgediente Kommanditisten aus der Gesellschaft zu drängen den – ein Unding. Diese Finanzkonstrukte verlagern den Schwerpunkt von tatsächlichen Vermögenswerten hin zu komplexen, teilweise undurchschaubaren, schuldrechtlichen Vereinbarungen.

Die Kontroll- und Mitspracherechte sind bei Nachrangdarlehen stark eingeschränkt oder fehlen gänzlich. Anlegerinnen und Anleger verfügen kaum über Informationsrechte, und die Einflussnahme auf die Geschäftsführung oder strategische Entscheidungen des Unternehmens ist nahezu ausgeschlossen. Im Falle fälliger Ansprüche ist häufig zu erleben, dass Zahlungen mit Verweis auf die Nachrangklausel ohne nähere Begründung verweigert werden.

Ein weiteres Problem stellt die sogenannte Mehrstöckigkeit dar: Darlehen werden nicht selten an eigene Projektgesellschaften vergeben, was zusätzliche Ebenen zwischen den Geldgebern und den eigentlichen Vermögenswerten schafft. Diese Strukturen führen zu einer weiteren Distanzierung vom eigentlichen Investment und reduzieren die Einflussmöglichkeiten zusätzlich. Die Erfahrungen mit Unternehmen wie UDI verdeutlichen die Schwachstellen und Risiken, die mit Nachrangdarlehen verbunden sind.

Eine zentrale Herausforderung bei Nachrangdarlehen ist das deutliche Missverhältnis zwischen den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Anlegerinnen und Anleger und den Risiken, die sie tragen. Wie bei einer Kommanditbeteiligung ist das Risiko eines Totalverlustes vorhanden, allerdings sind die Chancen bei Nachrangdarlehen auf die vereinbarte Verzinsung begrenzt, die sich meist nur unwesentlich über dem Zins einer Festgeldanlage bewegt. Damit ist die Verzinsung generell nicht risikoadäquat festgelegt, was die unfaire Risikoverteilung zusätzlich verschärft.

Akzeptanz der Energiewende durch Bürgerbeteiligung 

Die Bürgerbeteiligung könnte nicht nur eine demokratische Teilhabe am Ausbau erneuerbarer Energien bieten, sondern auch maßgeblich zur Akzeptanz und zum Erfolg der Energiewende beitragen. Leider nutzen Initiatoren, Projektierern und Geschäftsführungen die ideelle Motivation und Gutgläubigkeit von Privatanlegern immer wieder durch gezielte Übervorteilung aus. Hierbei werben sie oft mit dem partizipativen und zukunftsweisenden Wortcharakter der Bürgerbeteiligung. Die Anlegerinnen und Anleger von damals haben durch ihr Investment die erneuerbaren Energien zur Marktreife gebracht und werden nun als Dank übervorteilt und durch institutionelle Anleger aus ihrer Beteiligung gedrängt. Heute geschieht unter dem Motto der Bürgerbeteiligung noch Schlimmeres.

Wer Interesse an einer Investition in erneuerbare Energien hat, sollte sich fragen, welches Risiko er oder sie bereit ist zu tragen, um welche mögliche Rendite zu erreichen. Ebenso ist die Tauglichkeit von Nachrangdarlehen als Anlageprodukt für Privatpersonen zu hinterfragen. Eine vergleichbare Rendite, bei einem fast vollständigen Ausschluss eines Risikos (bis zu einer Anlagesumme von 100.000 Euro), gibt es wahrscheinlich bei der eigenen Hausbank. Wer eine Kommanditbeteiligung anstrebt, sollte sich fragen, ob bereits umfangreiche präventive Maßnahmen getroffen wurden oder werden, beispielsweise in Form eines aktiven Beirates, die einer Übervorteilung seitens der Geschäftsführung gegenüberstehen.

Die Energiewende kann nur dann eine breite gesellschaftliche Basis finden, wenn Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass ihre Investitionen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch vertretbar sind. Hierfür sind die regulatorischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie den Anleger schützen, ohne die partizipative Einbindung in die Energiewende zu behindern. Nur durch ein solides Fundament für die Bürgerbeteiligung kann die Energiewende als gesamtgesellschaftliches Projekt erfolgreich umgesetzt und die Akzeptanz in der Bevölkerung gesichert werden.

Die kriminelle Energie, mit der der Begriff der Bürgerbeteiligung missbraucht wird, um Privatanleger zu übervorteilen, schadet daher nicht nur dem individuellen, sondern auch dem gesamtgesellschaftlichen Wohlstand.

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