Synthetische Kraftstoffe - Warum Technologieoffenheit Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien verhindert

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Synthetische Kraftstoffe - Warum Technologieoffenheit Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien verhindert

Berlin, 05.10.2021 – Am vergangen Montag ist im niedersächsischen Werlte eine Produktionsanlage für klimaneutrales Kerosin in Betrieb genommen worden. In dieser weltweit einmaligen Anlagen wird Wasser, mithilfe erneuerbarem Strom aus Windkraft, in Wasserstoff umgewandelt und in einem nächsten Schritt methanisiert. Der AWE begrüßt generell Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Für die Bekämpfung der Klimakrise muss allerdings der Ausbau bereits vorhandener, effizienter und wirtschaftlicher Technologie forciert werden.

Die Eröffnung der Anlage wurde von Vertretern der scheidenden Bundesregierung beigewohnt. So kam Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) persönlich zur Inbetriebnahme, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schickten Grußworte per Videobotschaft. Alle beschworen die zentrale Bedeutung von Innovation für den Industriestandort Deutschland. Doch stellt sich generell die Frage, ob der breite Ausbau von Anlagen zur energieintensiven Herstellung synthetischer, nachhaltiger Treibstoffe unter Gesichtspunkten der Energieeffizienz sinnvoll ist.

Zum Vergleich: Aktuell sind in Deutschland rund 30.000 Windenergieanlagen mit einer kumulierten Leistung von  55 Gigawatt (GW) installiert [1]. Der Endenergieverbrauch von Flugkraftstoffen lag 2019 in Deutschland bei knapp 500 Petajoule (PJ) [2]. Unter der Annahme, dass die Windenergieanlagen kontinuierlich ihre volle Leistung dafür aufbringen würden, um synthetisches Kerosin zu erzeugen, so könnte der Energiebedarf des Flugsektors nur zu der Hälfte gedeckt werden. Die vielen Umwandlungs- bzw. Wirkungsgradverluste sind hierbei nicht berücksichtigt. Bei einem Wirkungsgrad von ca. 10 bis 15 Prozent, stellt sich ebenso die Frage der Wirtschaftlichkeit eines solchen Umwandlungsprozesses.

Die beispielhafte Rechnung macht deutlich, dass es zwar eine Daseinsberechtigung für Power-to-Gas gibt, diese aber, aufgrund ihrer schlechten Energieeffizienz in den Umwandlungsschritten, nur da zur Anwendung kommen sollte, wo keine bessere Alternative vorhanden ist. Im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der voranschreitenden Sektorkoppelung muss der Endenergiebedarf primär elektrisch gedeckt werden. Aus dieser Überlegungen heraus wird der Einsatz von Wasserstoff der Industrie und dem Güterverkehr vorbehalten sein und der Individualverkehr voll elektrifiziert. Ferner bedeutet dies, dass Flugverkehr idealerweise durch den Ausbau der Bahninfrastruktur substituiert wird.

Die Wahrheit liegt also zwischen den zwei Extremen der All-Electric-World und von Power-to-X. Unter dem Deckmantel der sogenannten Technologieoffenheit wird jedoch stets von dieser Tatsache abgelenkt und immer neue Innovationen ins Feld geführt. Zwar ist es offenkundig, dass die Menschheit zur Bekämpfung der Klimakrise auf zukünftige Innovationen angewiesen sein wird. Diese Innovationen müssen sich jedoch primär auf die Steigerung der Energieeffizienz von längst etablierten Technologien, wie der Wind- oder Solarenergie, fokussieren. Power-to-X darf nur dort zur Anwendung kommen und ausgebaut werden, wo es keine bessere Alternative gibt.

Mit regenerativen Energieerzeugern kann bereits heute ein wirtschaftlicher und wesentlicher Beitrag zur Dekarbonisierung ganzer Sektoren geleistet werden. Doch eine vollständige und sozialverträgliche Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien kann nur mit einer konkreten Vision und Ausbaupfaden gelingen. Die kommende Bundesregierung ist in der Pflicht, sich für eine Energiewende in Bürgerhand starkzumachen.

100 % erneuerbar und 100 % fair.


[1] BWE e.V.: https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/deutschland/

[2] UBA: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/endenergieverbrauch-energieeffizienz-des-verkehrs#endenergieverbrauch-steigt-seit-2010-wieder-an