Quo vadis, deutsche Energiewende?

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Quo vadis, deutsche Energiewende?

Berlin, 05.09.2022 – Wir leben in turbulenten Zeiten. Auf die anhaltende, aber lange kaum wirklich beachtete, Klimakrise folgte die weltweite Corona-Krise. Dadurch, und durch die Ukraine-Krise, steht nun eine inflationsbedingte globale Wirtschaftskrise vor der Tür. In den Zeiten dieser geopolitischen, gar historischer, Umbrüche, folgt indessen eine Zeit zwar nicht knapper, aber teurer Energie, die Energiekrise. Der Staffellauf der Krisen scheint kein Ende nehmen zu wollen und dabei steht mitten drin: die deutsche Energiewende.

10H-Regel, AKW-Laufzeitverlängerungen, LNG-Terminals, Strommarktdesign und Merit-Order. Die deutsche Energiewende schlägt teils bizarre, und insbesondere widersprüchliche, Kapriolen. In einer pluralistischen Gesellschaft herrschen pluralistische Meinungen vor. Doch sollte man bei dem gesamtgesellschaftlichen Großprojekt der Energiewende annehmen dürfen, dass die grobe Richtung einer Marschrute bekannt sein sollte. Doch die Politik, einst rationaler Anker in einer stürmischen See der Umbrüche, scheint rat- und zuweilen tatenlos.

Der politische Wille der Bundesregierung, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv zu forcieren, scheint erst mit der letzten Bundestagswahl Gestalt angenommen zu haben. Die Frage, ob dies ebenso eine massiv forcierte Reaktion auf die Ukraine-Krise war, sei an dieser Stelle dahingestellt. Mit dem Osterpaket werden u.a. nun bayerische (und andere) Mindestabstandsregeln zu Windenergieanlagen gekippt und Ausbaupfade erhöht.

Schon kommen Forderungen des ebenda heimischen, ehemaligen Bundesministers Andreas Scheuer (CSU), der den Neubau von drei Atomkraftwerken fordert. Als Bürger blickt man bei solchen Nachrichten hoffnungsvoll auf den Kalender, es möge hoffentlich bereits das Sommerloch erreicht sein.

Im Jahr der 500-Jahre-Dürre jedoch, während dessen Frankreich seine Atomkraftwerke aufgrund von sinkenden Flusswasserstände herunterfahren bzw. -regeln muss, erscheint der Vorschlag eines Neubaus absolut realitätsfern und als eine sträfliche Fehlverteilung von dem für die erneuerbaren Energien dringend benötigten Investitionskapital.

Mittlerweile muss Deutschland sogar den eigenen knappen, und insbesondere günstigen erneuerbaren, Strom nach Frankreich exportieren. Zwar ist das im europäischen Stromverbundnetz ein alltäglicher Vorgang, doch zeigt er die Anfälligkeit solcher fossilen Energieträger, die auch die Atomkraft letztendlich ist.

Die deutsche Wirtschaft ächzt unter den teuren Strompreisen, da das billige Gas zur Deckung der Lastspitzen fehlt. Das Merit-Order-Prinzip bestimmt den Preis. Am genannten europäischen Strommarkt bestimmt nämlich das teuerste, zuletzt ans Netz gegangene Kraftwerk den Strompreis. Derzeit also Gaskraftwerke.

Schon werden auf der politischen Bühne die Rufe nach einer Regulierung des Strommarktes bzw. einem ganz neuen Strommarktdesign hörbarer. Sicherlich berechtige und wichtige Überlegungen und Reaktionen auf die aktuelle Krisenlage.

Dennoch kommt man bei genauerer Betrachtung nicht darüber hinweg, dass die aktuelle Situation, trotz alles globaler Krisen, ein Stück weit hausgemacht ist. Für das lange Festhalten am billigen russischen Gas zahlt die deutsche Volkswirtschaft gerade eine doppelte und dreifache Zeche. Der frühe Ausbau von erneuerbaren Energien hätte, die wirtschaftliche Resilienz gefördert und die preislichen Auswirkungen wohl abgefedert.

Diese Erfahrung sollte Politik und Administration zumindest jetzt dazu bewegen, faire, demokratische und transparente Verhältnisse beim Ausbau der erneuerbaren Energie zu schaffen. Die Geschwindigkeit, mit der die Klimakrise auf uns zurast (und in der wir uns im Grunde schon mittendrin befinden), wird immer größer und die Zeit aktiv gegenzusteuern immer kleiner.

Es bleibt an uns Bürgern, die Energiewende aktiv und verantwortungsvoll zu gestalten. Dazu fehlen aber immer noch die Schaffung sowie die Durchsetzung fairer Rahmenbedingungen. Ohne eine Bürger-Energiewende kann keine nachhaltige, sozialverträgliche und kostendeckende Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien gelingen. Dazu gehört insbesondere die Schaffung von Plattformen der Bürgerbeteiligung und vorrangig der verbraucherfreundlichen Änderungen im Gesellschaftsrecht.

In diesem Sinne bleibt nur die Hoffnung, dass die Antwort auf die Frage „Quo vadis, deutsche Energiewende?“ nicht bei Ihrem historischen Vorbild bleibt – „um mich erneut kreuzigen zu lassen“.

Der Anlegerschutzverein WindEnergie AWE e.V. ist die Interessensvertretung von Anleger*innen im Windenergiebereich und Investments in erneuerbare Energien. Sie haben Fragen oder Interesse an unserer Arbeit oder einer Mitgliedschaft? Informieren Sie sich unter anleger-wind-energie.de/Mitgliedschaft über unsere Vereinsvision von hundert Prozent fairen, transparenten und demokratischen Verhältnissen bei Anlagen in erneuerbare Energien.