Fatales Fehlsignal mit Symbolkraft – Dank EU-Taxonomie soll Energie aus Kernkraft und Erdgas zukünftig als „nachhaltig“ gelten

By in
1083
Fatales Fehlsignal mit Symbolkraft – Dank EU-Taxonomie soll Energie aus Kernkraft und Erdgas zukünftig als „nachhaltig“ gelten

Berlin, 13.01.2022 – Am letzten Tag des vergangenen Jahres stuft die EU-Kommission in einem Verordnungsentwurf zu den EU-Taxonomien Investitionen in Atomenergie und fossiles Gas in der EU künftig als „nachhaltig“ ein und gibt damit dem monatelangen Druck aus Frankreich sowie ost- und mitteleuropäischen Mitgliedsstaaten nach. Die Taxonomie dient den Finanzmärkten als Orientierung, welche Investitionen klima- und umweltfreundlich sind und hat somit großen Einfluss auf Investitionsentscheidungen.

Die Taxonomie definiert sechs Zielhorizonte und ist dabei als Teil des EU Green Deal anzusehen. Sie soll:

  • der Minderung bzw. Anpassung an den Klimawandel dienen,
  • Wasser- und Meere schonen,
  • die Kreislaufwirtschaft voranbringen,
  • Umweltverschmutzung verhindern und
  • Biodiversität sowie Ökosysteme schützen oder wiederherstellen.

Für zukünftige Investitionen von Banken, Fonds oder Privatanlegern bedeutet dies, dass mindestens zu einem der genannten Ziele beigetragen werden muss und die anderen Ziele nicht „signifikant“ verletzt werden dürfen, um als nachhaltig zu gelten. Damit sollen Geldflüsse in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten umgelenkt werden und somit als nachhaltig eingestufte Vorhaben leichter an notwendige Finanzmittel kommen.

Die pauschalen Aussagen über Nachhaltigkeit, welche nun zumindest auch vorübergehend für Gas- und Atomkraft gelten könnten, verleihen der EU-Taxonomie eine weit reichende Symbolkraft. Die Investition in Gaskraftwerke ist soweit nachvollziehbar, dass diese laut Verordnungsentwurf so gebaut werden müssen, dass diese ab 2035 auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Ebenso sind CO2-Grenzwerte von Gaskraftwerken definiert, welche nur einen wirtschaftlichen, zeitlich begrenzten Betrieb gestatten, wenn Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder Speichern nicht ausreichend zur Verfügung steht. Ferner sollen Gaskraftwerke ab 2035 nur noch mit CO2-armen Gasen laufen dürfen. Die konkrete Definition der Kohlendioxidarmut bleibt jedoch aus.

Dass Investitionen in Kernenergie als nachhaltig angesehen werden könnten, ist zumindest auf der rechtsrheinischen Seite schwer nachzuvollziehen. Für diese Einordnung hatte sich insbesondere Frankreich stark gemacht, das zukünftig weiterhin auf Kernenergie setzen will. Bei der Einordnung in der EU-Taxonomie wird an dieser Stelle jedoch klar Greenwashing betrieben. Angesichts der gravierenden Auswirkungen auf Umwelt und Menschen, die Nuklearunfälle in der Vergangenheit verursacht haben und der bisweilen unbeantworteten Frage der Endlagerung atomar verstrahlter Brennstäbe und Abfälle, kann von einer Nachhaltigkeit nicht die Rede sein. Damit würde eine Investition gleich mehrfach signifikant gegen die als nachhaltig klassifizierten Ziele der EU-Taxonomie verstoßen, Zielkonflikte hervorrufen und Glaubwürdigkeit in das Hilfsinstrument für Anleger am Finanzmarkt beschädigen.

Ungeachtet dessen, dass zukünftig Gaskraftwerke für Überbrückung von Zeiten unzureichender Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen benötigt werden, so ist ein gezieltes Label der Nachhaltigkeit an dieser Stelle fehlplatziert.  Durch die völkerrechtlich bindenden Verträge aus der Pariser Übereinkunft muss massiv in die Reduktion von CO2-Emissionen investiertwerden. Dies ist jedoch primäres Hoheitsgebiet von Anlagen zur Erschließung der Energie aus Wind, Sonne, Wasser und Bioenergie. Die EU wäre gut damit beraten, diese Ziele streng zu verfolgen. Damit würde nicht zuletzt ein ambitioniertere Energietransition vollzogen werden, sondern auch das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Finanzmärkte gestärkt werden. Eine Entscheidung ist nicht vor Mitte des Jahres zu erwarten; die kontroverse Diskussion hat gerade erst begonnen.

Bislang ist die Entscheidung der EU-Kommission ein fatales Fehlsignal und behindert den dringend notwendigen ambitionierten Umwelt- und Klimaschutz. Dieser kann nur über den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien gelingen.

Der Anlegerschutzverein WindEnergie AWE e.V. ist die Interessensvertretung von Anleger*innen im Windenergiebereich und Investments in erneuerbare Energien. Sie haben Fragen oder Interesse an unserer Arbeit oder einer Mitgliedschaft? Informieren Sie sich unter anleger-wind-energie.de/Mitgliedschaft über unsere Vereinsvision von hundert Prozent fairen, transparenten und demokratischen Verhältnissen bei Anlagen in erneuerbare Energien.