Die deutsche Energiepartnerschaft mit Katar – Befreiungsschlag oder Wechsel ins nächste Abhängigkeitsverhältnis?

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Die deutsche Energiepartnerschaft mit Katar – Befreiungsschlag oder Wechsel ins nächste Abhängigkeitsverhältnis?

Berlin, 24.03.2022 – Die Bundesregierung will unabhängiger von russischen Energieimporten werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat daher jüngst eine langfristige Energiepartnerschaft mit dem arabischen Emirat Katar vereinbart. Die absolute Monarchie steht schon seit längerem in der Kritik von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen.

Die Emanzipation von russischen Gaslieferungen ist ein lang überfälliger Schritt. Die Rechnung dahinter erscheint auf den ersten Blick logisch: Aufgrund der russischen Invasion der Ukraine soll zukünftig kein Erdgas mehr aus Russland bezogen werden. Da der Ausbau der Wind- und Sonnenenergie hierzulande sowohl für Privatverbraucher als auch für Industrie jedoch weit hinter den Erwartungen zurückliegt, muss sich um alternative Lieferbeziehungen bemüht werden. Als weltweit zweitgrößter Exporteur von Flüssiggas (Liquified Natural Gas – LNG) bietet sich das Emirat Katar als eine vermeintlich gute Alternative zu russischen Gasimporten an. Doch die Energiepartnerschaft beruht auf kurzfristigen Überlegungen und bremst die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien.

Der Bezug von LNG wird seitens der Bundesregierung als ein vorübergehender Schritt bezeichnet, um die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu durchbrechen. Doch dauern allein der Bau und die Inbetriebnahme eines LNG-Terminals gewöhnlich etwa fünf Jahre. Erst danach könnte LNG direkt aus Katar bezogen werden. In Zwischenzeit ist die deutsche Wirtschaft nach wie vor erheblich auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen, welche bisweilen rund 55 % der gesamten Erdgaslieferungen nach Deutschland ausmachen. Dass dieser Anteil allein durch LNG-Lieferungen diverser Lieferanten gedeckt werden kann, ist schwer vorstellbar.

Es fehlt an einem konkreten Fahrplan des definitiven Ausstiegs aus der Erdgasverfeuerung und einem klaren Willen zum Klimaschutz und zu den drastischen Maßnahmen, den Gasverbrauch zu verringern. Diese Maßnahmen beinhalten den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien und den dafür benötigten Änderungen in den Genehmigungsverfahren und das Zusammenbringen von Natur- und Klimaschutz.

Darüber hinaus führen Investitionen in die Infrastruktur fossiler Energieträger zu einer Pfadabhängigkeit, der nur unter Kraftanstrengungen zu entkommen ist. Sinnvoller wäre es so z. B., anstatt LNG-Terminals zu bauen, gleich auf Wasserstoff-Terminals zu setzen. Eine strategische Denkhaltung, die auf langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen beruht, war beim Besuch des Bundeswirtschaftsministers in Katar nicht zu erkennen.

Ferner drängt sich die Frage auf, in wie weit, zum Wohle der deutschen Energiesicherheit, über die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Katar hinweggeschaut werden. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die ausgehandelte Energiepartnerschaft wie ein Schritt in die nächste Abhängigkeit von Energielieferungen aus einem despotischen System. Zwar wurden die Themen durch den Bundeswirtschaftsminister Habeck im Zuge seines Besuches (in Begleitung von 20 deutschen Top-Managern) angesprochen, doch bleibt dahingestellt, welches Gewicht diese Ansprache haben wird.

Schlussendlich ist eine nachhaltige Energiesicherheit Deutschlands nur über eine Energieautarkie auf Basis erneuerbaren Energien möglich. Insbesondere in geopolitisch turbulenten Zeiten muss dieses Ziel mit Nachdruck und aus einer strategisch langfristigen Perspektive verfolgt werden. Die kurzfristige Erschließung neuer Lieferbeziehungen bindet dabei nur die anderswo dringend benötigten Ressourcen.

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